Kraftwerkstrategie lässt viele Fragen offen: Die Misere geht voll auf Habecks Konto

Ein Kommentar von Jakob Schlandt

Jakob Schlandt ist Redaktionsleiter des Tagesspiegel Background Energie & Klima. Er befasst sich seit Jahren intensiv mit der Klimastrategie der Bundesregierung.

06.02.2024, 19:34 Uhr

Die Bundesregierung will den Bau wasserstofffähiger Gaskraftwerke durch staatliche Subventionen vorantreiben. Doch die Pläne lassen noch zu viele Fragen offen.

© dpa/Britta Pedersen

Zwischen heldenhaft und hanebüchen liegt in Krisenzeiten nicht viel. Robert Habeck hat das in der Energiekrise erlebt. Erdgas musste her - und der grüne Wirtschaftsminister handelte so entschlossen, dass konservative Vorstandschefs noch heute davon schwärmen.

Anderes ging in den beinahe panischen Sommermonaten 2022 schief - zum Beispiel die verkorkste Idee, Energie durch eine "Gasumlage" noch teurer zu machen. Das wurde jedoch schnell korrigiert.

Aus mancher Perspektive sieht Habeck schlecht aus, ohne eigenes Zutun. Dass die grüne Parteibasis die Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke blockierte, richtete sich erkennbar gegen Habecks Überzeugung. Absurd ist, wie Habeck seit Monaten persönlich die Wirtschaftsmisere des Landes angedichtet wird. Als ob er persönlich - nicht Putin - den Gashahn zugedreht hätte, was die deutsche Industrie ihres wichtigsten günstigen Energiezugangs beraubte. (Anmerkung: Doch, es war Deutschland bzw. die EU. Propaganda ist nicht immer die Wirklichkeit.)

Robert Habeck als Generalbeschuldigter, für alles, was schief läuft. Das ist die eine Seite.

Doch nun holt den Minister das bislang schwerste Versäumnis seiner Amtszeit ein. Wenn Strom hauptsächlich aus wetterabhängigen Sonnen- und Windkraftwerken stammt, müssen Kraftwerke bereitstehen, die bei Flaute und Dunkelheit einspringen. Davon gibt es aber nicht genug, erst recht nicht, wenn man die Kohlekraftwerke wie die Grünen bis 2030 außer Betrieb nehmen möchte. Dieses Problem zu lösen, ist Kernaufgabe eines grünen Wirtschaftsministers.

Ampel einigt sich auf Kraftwerksstrategie Wird der Strom jetzt teurer?

Diese Woche präsentierte die Bundesregierung endlich einen groben Plan, wie das gelingen soll: die "Kraftwerksstrategie". Anlagen im Umfang von etwa 20 großen Gaskraftwerken sollen - staatlich unterstützt - möglichst bald gebaut werden und bis maximal 2040 von Erdgas auf Wasserstoff umstellen. Später soll dann ein Kapazitätsmechanismus hinzukommen. Das kommt vermutlich günstiger. Weil zum Beispiel auch Verbraucher einbezogen werden, die bei Stromknappheit ihren Verbrauch drosseln.

Statt großspurig nun plötzlich defensiv

Bislang steht nur dieses dürre Grundgerüst, auf das sich Habeck, Kanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner einigen konnten. Habecks Großspurigkeit in dieser Sache ist völlig verflogen. Kündigte er vor knapp einem Jahr an, dass Ende 2023 die ersten Ausschreibungen für Kraftwerke starten, tritt er nun defensiv auf und spricht von "weiteren Schritten", die noch zu gehen seien.

Tatsächlich geht die Misere dieses Mal voll auf Habecks Konto. Erst versäumte er es, im eigenen Haus klar Schiff zu machen. Entscheidende Beamte sind dort bis heute uneins, ob ein Kapazitätsmarkt nun eine gute Idee ist oder nicht. Habeck hätte eine gerade Linie erzwingen müssen. Die im Ministerium gefundene Kompromisslösung, händisch Kraftwerke zu bestellen, war dann in der Koalition so gut wie nicht abgestimmt. Nicht mit SPD- und FDP-Spitzen, geschweige denn mit dem Parlament.

Viele berechtigte Fragen blieben offen: Ob nur grüner Wasserstoff eingesetzt werden darf, wie der langfristige Plan für den Strommarkt ist und auch die Finanzierung. Dass inzwischen das Geld knapp ist, trug dazu bei, dass quälend lange gestritten wurde und jetzt nur rund die Hälfte der Kraftwerke in Auftrag gegeben werden sollen. Unklar ist, ob das überhaupt für einen früheren Kohleausstieg reicht.

Drittens unterschätzte Habeck, wie die Europäische Kommission reagieren würde. Die ist gar nicht amüsiert über das Ansinnen, Staatshilfe für Gaskraftwerke zu zahlen, denn das verstößt gegen die Binnenmarktregeln. Insbesondere, weil unter Habeck ein Bericht zur Versorgungssicherheit veröffentlicht wurde, der postulierte, es gebe gar kein dringliches Problem. Der saubere Weg wäre gewesen, in Brüssel offiziell einen Kapazitätsmechanismus zu beantragen. Das allerdings dauert Jahre.

Ob und in welcher Form die Kommission nun überhaupt grünes Licht gibt, ist offen. Auch, ob die Bundestagsfraktionen mitziehen. Mag sein, dass es gelingt, den Notnagel Kraftwerksstrategie ins Brett zu hämmern.

In dieser Legislaturperiode wird es aber aller Voraussicht nach nicht mehr gelingen, Strommarktregeln und Versorgungssicherheit grundsätzlich neu und klimasauber aufzustellen. Dafür trägt Habeck die Verantwortung, dafür wird er zu recht nicht als Held gefeiert.


Quelle: Tagesspiegel